Universität

Sein Hochschulstudium absolvierte Franz Kafka in den Jahren 1901-1906 an der deutschen Prager Universität, dem deutschsprachigen Zweig der Karlsuniversität. Die seit 1882 in einen tschechischen und deutschen Zweig geteilte Karlsuniversität hatte ihren Sitz im Karolinum in der Prager Altstadt. Die deutsche Universität betrat man von der Eisengasse, die tschechische vom Obstmarkt aus. Außerdem hatte die Universität Institute an verschiedenen Stellen in der näheren Umgebung. Kafka besuchte seine Vorlesungen und Seminare im Klementinum, dem Gebäudekomplex des alten Jesuitenkollegs, oder im Clam-Gallas-Palast in der heutigen Hus-Gasse.

© Foto: Archiv Klaus Wagenbach, Berlín
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Der Studienbeginn war von einer leicht chaotischen Fachwahl gezeichnet: Zunächst hatte er sich für Chemie entschieden, doch gab er schon nach 14 Tagen auf und wechselte auf Jura über. Schon im zweiten Semester lockte ihn die Philosophie, so dass er sich auch für Germanistik einschrieb und außerdem
Vorlesungen in Kunstgeschichte besuchte. Allerdings waren ihm die Vorlesungen und Seminare von August Sauer, dem Oberhaupt der damaligen Prager Germanistik, schon bald derart verleidet, dass er nach München überwechseln wollte. Dazu raffte er sich schließlich doch nicht auf und kehrte stattdessen zu seinem Jurastudium zurück. Bei dieser Entscheidung waren sicher auch rein praktische Gründe im Spiel: Juden hatten in der k.u.k. Monarchie, mit ihrem latenten Antisemitismus, keinen leichten Zutritt zum Staatsdienst. Deshalb wählten sie lieber Studienfächer, die eine freiberufliche Tätigkeit ermöglichten, in erster Linie Jura und Medizin. In Kafkas Fall könnte auch sein Vorhaben eine Rolle gespielt haben, sich der Schriftstellerei zu widmen und sein Brot mit einer Tätigkeit zu verdienen, die nicht mit Literatur zu tun haben sollte.
Über das Jurastudium hat sich Franz Kafka lebenslang geringschätzig geäußert. Die Büffelei und das Wiederkäuen eines Stoffs, der zuvor schon durch Tausende von Mündern gegangen war, stießen ihn ab. Er erwähnt auch nirgendwo die hervorragenden Vertreter der Rechtswissenschaft, deren Vorlesungen und Seminare er absolviert hat, wie etwa Horaz Krasnopolski (1842-1908), Professor für österreichisches Zivilrecht und brillanter Redner, oder den Professor für Strafrecht Hans Gross (1847-1915), Verfasser eines Kriminalisten-Handbuchs, in dem sämtliche Aspekte des Verbrechens behandelt wurden. Ihn zogen eher die Vorlesungen des leicht exzentrischen Philosophen und Psychologen Christian von Ehrenfels (1859-1932) an, die er gelegentlich auch außerhalb der Universität aufsuchte. Kafkas Doktorvater Alfred Weber (1868-1958), der Bruder des bekannteren Soziologen Max Weber, nahm an der feierlichen Verleihung des Juradoktorats teil.