Zur Arbeiter-Unfallversicherung, einer halbstaatlichen Institution, hatten Juden kaum Zugang. So waren beispielsweise 1913 unter 263 Mitarbeitern nur zwei Juden. Kafka wurde aufgrund der Fürsprache seines Schul- und Studienfreundes Ewald Felix Příbram angestellt, dessen Vater bis 1917 Präsident dieser Anstalt war. Die Prager Arbeiter-Unfallversicherung war damals die bedeutendste Unfallversicherung im gesamten Österreich, die etwa 1/3 aller Unfallversicherungen in der Monarchie trug. Nach dem Umsturz von 1918 arbeiteten in dieser Anstalt vorwiegend Tschechen; deutsche Mitarbeiter, die kein positives Verhältnis zum tschechoslowakischen Staat fanden, mussten gehen. Kafka ist als loyaler Bürger der neuen Republik geblieben.
Franz Kafka wurde, wie damals üblich, gegen eine sehr niedrige Entlohnung von 3 K pro Tag + 10% Zulage angestellt. Er war für die Arbeit auf dem Gebiet der Arbeiterversicherung bestens vorbereitet. Schon während seiner Praktikantenzeit bei Gericht, von Februar bis Mai 1907, hatte er einen Kurs über Arbeiterversicherung an der Prager deutschen Handelsakademie besucht, wo unter anderen auch seine künftigen Vorgesetzten unterrichteten: Doz. Dr. Rudolf Marschner, der bald nach Kafkas Dienstantritt zum Direktor der Anstalt aufstieg, wobei Kafka dank seiner stilistischen Fertigkeiten mit dem Vortrag einer Begrüßungsansprache anlässlich des Dienstantritts des neuen Direktors betraut wurde, ferner sein beliebter unmittelbarer Vorgesetzter Inspektor Eugen Pfohl und der erfahrene Versicherungsfachmann und enge Mitarbeiter Kafkas Dr. Salomon Fleischmann, der zweite jüdische Mitarbeiter im Betrieb.