Assicurazioni Generali

Zur Anstellung in der Prager Filiale der Assicurazioni Generali gelangte Franz Kafka durch Protektionen. Ihn hatte Arnold Weissberger vorgeschlagen, ein Landsmann aus Kolin, Ex-Vizekonsul der Vereinigten Staaten von Amerika, nach der Rückkehr in die böhmische Heimat Prokurist in einer großen Prager Bank. Dessen Sohn leitete die Zweigstelle der Assicurazioni Generali in Madrid, wo auch Kafkas Onkel Alfred Löwy lebte. In Zusammenhang mit dieser Anstellung sah Kafka schon die Erfüllung seiner exotischen Träume. Als erste Station rechnete er mit Triest, dem Zentralsitz von AG, und begann Italienisch zu lernen. Vermerke über das Einstellungsprotokoll bestätigen die Berechtigung dieser seiner Vorstellungen. Darin steht, Kafka entstamme einer ehrenwerten Prager Familie, mit seiner späteren Verwendung im Auslandsdienst sei zu rechnen. Die Wirklichkeit sah aber anders aus. Ins Ausland wurden ausschließlich Mitarbeiter der Sektion Verkehrsversicherung delegiert. Kafka wurde aber in die Abteilung Lebensversicherungen gesteckt, die in jedem Land von einheimischen Angestellten bearbeitet wurde.
© Památník národního písemnictví, Praha
Ein weiterer Grund für Kafkas Ernüchterung lag in den harten Arbeitsbedingungen dieser Anstalt und in der schlechten Behandlung der Angestellten. Am meisten störte ihn die sog. doppelte Frequenz, d. h. die Arbeitszeit von 8-18 Uhr mit einer zweistündigen Mittagspause (12-14). Ein Angestellter war berechtigt, alle zwei Jahre einmal um 14 Tage Urlaub zu ersuchen, durfte keine Nebenbeschäftigung aufnehmen und ohne schriftliches Einverständnis der Geschäftsleitung nicht einmal ein Ehrenamt bekleiden. Die Probezeit war auf ein Jahr festgelegt. Dagegen durfte die Leitung den Angestellten ohne Anspruch auf Sondervergütung Arbeit außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit auferlegen.
Kafka war mit dieser obendrein schlecht bezahlten Anstellung bald unzufrieden. Die Ermüdung infolge Arbeitsüberlastung, zu wenig Freizeit in einem Alter, in dem er sich abends ausleben wollte, die viel zu geringe Möglichkeit, auf seine juristischen Kenntnisse zurückzugreifen und die schroffe Behandlung der Angestellten führten dazu, dass er sich schon bald nach einer anderen Stelle umsah. Bei der Assicurazioni Generali hielt er nur ein knappes Jahr aus, vom 10. Oktober 1907 bis zum 31. Juli 1908. Mit Hilfe erneuter Protektion wechselte er zur Arbeiter-Unfallversicherung für das Königreich Böhmen über, wo er endgültig Fuß fasste. Aus der AG blieben ihm nur schlechte Erinnerungen und nur ein einziger freundschaftlicher Kontakt zum gebildeten, sich für Literatur interessierenden Direktor Ernst Eisner zurück.