Kafkas Eltern stammten beide vom böhmischen Land und waren eigentlich Nachzügler einer gewaltigen Migrationswelle der Dorfjuden in die Hauptstadt, von der diese nach Aufhebung verschiedenster drastischer Beschränkungen mehr Sicherheit und größere Existenzchancen erhofften. Die aus Südböhmen stammenden Kafkas waren bis auf Ausnahmen eine Sippe von beträchtlicher Vitalität, robust, unternehmenslustig und aufstiegsorientiert.
Die aus dem östlichen Mittelböhmen kommenden Löwys zeichneten sich – ebenfalls von Ausnahmen abgesehen – durch maßvolle Besonnenheit, Empfindsamkeit und Nachdenklichkeit aus. All diese Eigenschaften sind bei den Mitgliedern der beiderseits recht zahlenstarken Sippen im Lauf der Jahre zum Tragen gekommen. Unter ihnen findet man tüchtige Unternehmer und unpraktische, introvertierte Typen, Gelehrte und Abenteurer, Weltmänner und Wunderlinge. Franz Kafka fühlte sich stärker dem mütterliche Erbe der Löwys verbunden. Anders als sein Vater, dem sehr am Zusammenhalt der Sippe lag, war Franz in Beziehung auf die weitere Familie wählerisch. Einigen Verwandten, insbesondere mütterlicherseits (den Onkeln Siegfried und Alfred) fühlte er sich herzlich zugetan, andere fanden in seinen autobiographischen Texten überhaupt keine Erwähnung.